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allgemeine Kategorie => Allgemeine Diskussionen => Thema von: Sebastian am 27. Oktober 2024, 08:52:18

Titel: Habe ich Interesse an Linux?
Beitrag von: Sebastian am 27. Oktober 2024, 08:52:18

Hallo Suletuxe,

Gestern auf unserem monatlichen Treffen habe ich wieder viele Gründe gehört, warum man keine Zeit findet sich mit Linux und seinen Komponenten auseinander zu setzten. Ich war auch erst an Überlegen dieses Thema ins Wiki zu packen. Aber da dort die Beteiligung noch schlechter als hier im Forum ist, dachte ich mir, ich diskutiere dies erst einmal mit euch (Also unserer Community!) aus.

Diesbezüglich möchte ich erst einmal die Frage klären ob man denn wirklich Interesse an Linux hat und was man unter Interesse überhaupt versteht. Denn ein Interesse kann unterschiedlich aussehen und dadurch zu unterschiedlicher Motivation und dadurch zu unterschiedlicher Priorisierung führen.

Um das zu verdeutlichen, möchte ich das einmal anhand eines Beispieles ausführen:

Ich bin Fotograf und ich interessiere mich dadurch für Foto/Bildbearbeitung. Um meine Bilder/Fotos zu bearbeiten, möchte ich ein Bildbearbeitungsprogramm für/auf Linux verwenden. Habe ich dadurch schon Interesse an Linux? Oder ist Linux eher mittel zum Zweck für mein eigentliches Interesse Gebiet, die Fotografie bzw. Bildbearbeitung?

Lasst mich das einmal weiter aufdröseln, was eigentlich alles getan werden müsste, bis ich zu dem Punkt komme, bis ich meine Bilder bearbeiten kann:

1. Installieren des Linux Betriebssystems
2. Installieren meines Bildbearbeitungsprogramms
3. Anwenden/nutzen meines Bildbearbeitungsprogramms
4. Wartung meines Betriebssystems in Form von Updates

Aus diesen Punkten kann sich jetzt jeder folgende Fragen stellen:

Zu 1. Interessiert es mich, wie man ein Linux selbst installiert und was damit verbunden ist? Oder ist das doch eher nur ein notwendiger Schritt um zu Punkt 3 zu kommen, damit ich mein eigentliches Interesse der Bildbearbeitung frönen kann?

2. Interessiert es mich eigentlich wie man Programme unter Linux installiert? Oder möchte ich auch dies an liebsten nur einmal tun, damit ich zu meinem eigentlichen Ziel komme?

3. Zum dritten Punkt muss ich nicht mehr viel sagen, das ist der Punkt der wahrscheinlich bei den meisten die eigentliche Motivation bzw. das eigentliche Ziel der meisten ist. Sollte sich das Interesse aber nur auf diesen Punkt beschränken? So hat man eigentlich kein Interesse an Linux und allem drumherum, sondern möchte eigentlich Linux (als Mittel zum Zweck) nur anwenden. Es interessiert einen eigentlich nicht.

4. Der vierte Punkt ist ein Pflichtpunkt, den jeder zu machen hat, um sein System sicher und stabil zu halten (besonders wenn dies mit dem Internet verbunden ist). Aber auch um mit der Zeit zu gehen zu können, damit z.b. auch neue Innovationen genutzt werden können. Also auch hier sollte man sich die Frage stellen, interessiert es mich, wie ich mein System Warten und Pflegen kann? Wie mache ich Updates? Möchte ich Zeit und Lernbereitschaft mitbringen bei Problemen und versuche diese durch Eigenrecherche zu lösen?

Deswegen stellt euch mal diese Fragen, und überlegt mal für euch, ob ihr wirklich ein Interesse an Linux habt? Oder ob Linux für euch eher nur das Werkzeug ist das ihr einfach nur anwenden möchtet um euer eigentliches Interesse/Anliegen/Hobby zu verwirklichen? Solltet ihr zu der Entscheidung gekommen sein, eigentlich sich wirklich nur auf das Nötigste zu beschränken, um euer Ziel zu erreichen, so ist das nach meiner Auffassung kein wirkliches Interesse an Linux. Daraus wird resultieren das man nie etwas im Linux Bereich, aus Eigenantrieb dazu lernen wird. Allerhöchsten fall wird man sich vielleicht bei der Problemlösungssuche bemühen, falls das eigentliche Hobby nicht mehr möglich ist. Aber auch hier denke ich wird der eigentlich festgestellte Anwender eher versuchen den leichten wegzugehen, und lieber nach einer fertig vorgekauten Lösung fragen.

Priorisierung wie wichtig ist mir Linux?

Kommen wir zu der Priorisierung, wie bereits oben schon gesagt, aus Interesse folgt Motivation, aus Motivation folgt Priorisierung. Demnach kann man auch gut an der Priorisierung erkennen, wie hoch das Interesse ist, sich mit etwas zu beschäftigen. Gibt es in meinen Leben andere Dinge die eine höhere Priorisierung haben, als sich mit Linux zu beschäftigen, so habe ich logischerweise an diesen Dingen ein Hörers-Interesse. Daran muss nichts Verkertes sein, klar gibt es dinge, die einfach wichtiger sind als Linux. Fakt ist aber auch wenn die Priorisierung von Linux einen so minimalen Stellenwert erreicht, dass für Linux kaum noch Zeit bleibt, das man sich hier wieder die Frage stellen sollte, hat man wirklich überhaupt noch Interesse an Linux? Denn wird man hier zu wenig Zeit für den Lernfortschritt investieren so wird man einfach sich nicht weiterentwickeln können. Denn von nichts kommt halt auch nichts.

Wie war es bei mir?

Wie war es bei mir am Anfang. Ich wollte wie wahrscheinlich die meisten erst einmal schnell zum Ziel. Ich wollte Linux als Basis nutzten und möglichst schnell meine gewohnte Arbeitsweise fortsetzten. Also habe ich wie fast jeder, um mich möglichst wenig umzustellen geschaut, gibt es meine gewohnten Programme auch für Linux? Die es nicht für Linux gab, dafür musste ich alternativen finden und mich einarbeiten. Ich wollte sozusagen schnell zu Punkt 4. kommen. Aber nun folgt der entscheidende Unterschied, der für mich das Interesse an Linux aus macht. Nachdem ich also eine solide Basis hatte, und ich erst einmal das mit meinem Computer machen konnte, was ich tun wollte. So bin ich nicht an den Punkt stehen geblieben, sondern ich habe mich durch mein Interesse/Motivation an Linux ran gemacht und in Nachgang mir die anderen Punkte auch angeschaut wie das alles Funktioniert. Dieses Interesse ist es auch geschuldet, warum ich anderen bei Problemlösung suchen helfe. Es interessiert mich einfach zu sehen, wie die einzelnen Komponenten zusammen hängen und wie das alles funktioniert. Somit wachse ich durch jedes neu gelöste Problem, ob das nun mein eigenes Problem oder das eines anderen ist, das spielt dabei keine Rolle.

Ich hoffe, ich konnte den einen oder anderen hierdurch einen Denkanstoß geben und selbst mal darüber nachzudenken sich selbst einmal zu reflektieren, ob ein wirkliches Interesse an Linux besteht.

Ich freue mich schon auf eure Kommentare. Wie denkt ihr darüber? Seht ihr das genauso? Oder macht für euch Linux Interesse etwas anderes aus?

LG
Sebastian

Titel: Re:Habe ich Interesse an Linux?
Beitrag von: Andreas am 27. Oktober 2024, 10:01:57

Solange ich mich erinnern kann habe ich bei allem was mir begegnet ist die Frage gestellt: wie funktioniert das?" Das hat dazu geführt, dass ich als Kind alles was mir in die Finger gekommen ist auseinander nehmen wollte (und es oft auch getan habe). Aber nicht, wie viele andere Kinder das tun, aus "Zerstörungswut" - ich wollte verstehen. Ich wollte verstehen, wie der Teppichkehrer funktioniert, wie Elektrogeräte funktionieren, wie man Kartoffeln sät - einfach alles. Immer, wenn mir etwas begegnet ist, was "fertig" war und mir verborgen blieb wie es funktionierte war es für mich suspekt und nicht unbedingt mein Freund. So bin ich zu dem gekommen, was ich hauptberuflich mache (Elektronik reparieren). Im jugendlichen Alter habe ich dann sehr viel mit Elektronik gebastelt, ich habe Schaltungen analysiert (mal wieder durch Auseinandernehmen von Geräten) und auch Schaltungen selbst entwickelt. Ein Meilenstein waren die ersten "Logik-ICs": 14 oder 16 beinige ICs die Und-Gatter, Oder-Gatter etc. enthielten. Mit ihnen konnte ich schon einfach Logikschaltungen bauen: das Licht im Aquarium sollte angehen, wenn es draußen dunkel war ODER eine bestimmte Zeit überschritten war. Und dann kamen irgendwann die ersten "PCs": sie hatten mit den heutigen PCs nicht wirklich viel zu tun: PET, Sinclair ZX80, Commodore VC20. Sie enthielten noch sehr, sehr viel der Logikbausteine die ich schon kannte, aber eben auch schon einen Mikroprozessor. Ich wollte verstehen, wie das Ganze funktioniert, also begann ich mich mit den Befehlssätzen der Mikrokontroller zu beschäftigen. Ich lernte, was ein Register ist, was ein Stapel (Stack), was eine Rücksprungadresse etc. Und für einen Apple][e habe ich dann mit 22 ein eigenes Betriebssystem geschrieben. Das führte für mein eigenes Geschäft (gebrauchte Radio- und Fernsehgeräte) das Gebrauchtwarenbuch...

Alle "Computer" bis dahin kannten keine grafische Oberfläche - es waren reine Kommandozeilengeräte. Auch an der Uni arbeitete ich ausschließlich mit Computern auf Kommandozeilen-Ebene: es gab nichts anderes. Aber ich lernte Logik, konnte Aufgabenstellungen in Kommandozeilenbefehle gießen. Das war eine sehr große Befriedigung!

Dann kam irgendwann die Revolution: der 68000 Prozessor und mit ihm der Atari ST. Die erste wirklich ernst zu nehmende grafische Oberfläche - ich kam mir vor wie Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise aus dem 24. Jahrhundert ;D Ich lernte die Programmiersprache "C" und den Umgang mit Bibliotheken. Ich erstellte erste Programme mit grafische Oberfäche und kaufte mir das Buch "Atari ST intern". Dort war das gesamte Betriebssystem (TOS) in Assembler abgedruckt (!!) und ich konnte lernen, wie sowas funktioniert. Ich fand auch diverse Programmierfehler im TOS, die ich in der Fachzeitschrift c't veröffentlichte. Leider war dem Atari ST keine lange Zukunft beschert: die Weiterentwicklung stagnierte, und irgendwann kam Windows95 raus. Es war das erste Window, was ich ernst genommen habe - also begann ich mich auch damit zu beschäftigen. Das war schon nicht schlecht, aber ich stieß überall an Grenzen. Nichts war wirklich dokumentiert, wie es funktionierte, war "Betriebsgeheimnis". Auch hier entdeckte ich nichts desto Trotz einen Programmierfehler, den ich brav an Microsoft meldete. Beseitigt wurde er nie. Die Tatsache, dass die Funktionsweise dem Nutzer verborgen blieb hat mich sehr gestört.1999 wollte ich dann eine Windows-Festplatte von einem Mainboard auf das nächste "mitnehmen" - ohne Neuinstallation. Ich bin krachend gescheitert. Das alte System war auf dem neuen Mainboard einfach nicht zum Laufen zu bringen - obwohl ich mit einem echten "Windows-Guru" eine Woche lang daran saß. Das war mein Startsignal für ein Umschwenken auf Linux. Der PC sollte mir Arbeit abnehmen, und nicht welche verursachen. Mi Unix hatte ich schon an der Uni zu tun, Minix lief auch auf meinem Atari ST - also kaufte ich mir eine Schachtel mit 7 CDs auf den "SuSE Linux" war. Es war alles Kommandozeile - ich fühlte mich sofort wohl und zu Hause. Die grafische Oberfläche war das Sahnehäubchen, aber die eigentliche Einrichtung geschah zu 100% auf der Kommandozeile. Es war wie im Schlaraffenland: alles war öffentlich und frei verfügbar, es war dokumentiert und man konnte die Funktion einsehen und verstehen. Und so bin ich 1999 bei Linux gelandet und bin dort auch geblieben. Ich habe etliche Distributionen durch und sehr viel gelernt. In der Zwischenzeit beherrsche ich diverse Programmiersprachen und habe mit Linux auch die regenerative Energieversorgung unseres Häuschens gesteuert. Und nicht nur das: Linux ist auch die Basis meiner SDR-Funkgeräte (Software defined Radio). Ich habe ein Amateurfunkrufzeichen und Amateurfunk als Hobby.

Für mich war es schon immer wichtig zu verstehen, wie Dinge funktionieren. Ich wollte und will wissen, wie der "Kreislauf es Lebens" funktioniert, wie das Klima unseres Planeten arbeitet, warum sich das Universum immer schneller ausdehnt, wie Pflanzen leben können, was Biodiversität ist, wie ein Verbrennungsmotor funktioniert, wie ein Elektromotor, und auch, wie meine IT-Geräte funktionieren. Dinge, die "verschlossen" sind, mag ich nicht, und das höchste Gut ist für mich Wissen und Können. Das Leben ist eine Herausforderung, die Herausforderung, Zusammenhänge zu verstehen, um dann selbst beurteilen und handeln zu können, anstatt passiv in einem Mainstream mitgerissen zu werden ohne wirklich eine Richtung "mein Eigen" nennen zu können...

Dementsprechend kam und kommt für mich nur Linux in Frage. Ich weiß schon recht viel auf dem Gebiet, aber längst nicht alles. Was ich aber weiß: alles ist logisch, erklärbar und zu verstehen. Ich habe keine Angst vor Neuem, Unbekanntem, ganz im Gegenteil: alles Unbekannte reizt mich, ich will es verstehen. Ich habe die Ruhe und Zuversicht, dass ich Lösungen eigenständig finden kann, und sollte das tatsächlich mal nicht hinhauen, vertraue ich der Community: Menschen, die Wissen ähnlich bewerten wie ich, und die ihr Wissen teilen möchten und helfen. Im Gegenzug teile ich mein Wissen gerne mit allen, die auf dem Weg, auf dem ich bin, noch nicht so weit sind. Mit argwöhnischen Gedanken dagegen betrachte ich die, die das Wissen anderer (aus)nutzen, ohne selbst zu diesem Wissenspool beitragen zu wollen. Sie passen nicht in diese uneigennützige und freie Welt des Wissen-Teilens. Es sind andere Welten, vielleicht mit ein paar Schnittmengen...

LG
Andreas


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